Veröffentlicht am 08.11.2014

Zeitungsartikel: Armer Oliver berührt die Herzen

Die Glocke am 08.11.2014 -  Artikel zur Premiere am 06.11.2014
 

Gelungene Premiere

Armer Oliver berührt die Herzen

von unserem Mitarbeiter David Inderlied

Rheda-Wiedenbrück (gl). Zum Schlussakkord hält es keinen im Publikum mehr auf seinem Sitz. Mit dem Stück „Oliver!“ erntet die Musicalfabrik aus Rheda-Wiedenbrück bei der Premiere am Donnerstagabend im Reethus nicht nur minutenlangen Applaus, sondern zeigt eindrucksvoll, wie perfekt Laienschauspieler jedes Alters mitein-ander harmonieren können.

Grütze! Immer nur Grütze! Die Kinder in einem Armenhaus in einer englischen Kleinstadt rund um das Jahr 1850 haben nichts zu lachen und wenig zu essen. Der Magen knurrt, nicht nur bei dem kleinen Jungen, dessen Mutter bei der Geburt gestorben ist und den man Oliver Twist nennt. Mit seiner Bitte „Ein bisschen mehr“ löst Oliver einen Eklat aus –bringt sich selbst in größte Schwierigkeiten. Denn der strenge Mr. Bumble (Uwe Linnhoff), der zusammen mit der hinterhältigen Mrs. Corney (Brigitte Frisch-Linnhoff) das Armenhaus leitet, heckt eine Strafe aus: Oliver wird an den Londoner Bestattungsunternehmer Mr. Sowerberry (Jörg Berhorst) verkauft. Der unheilvolle Werdegang des Oliver Twist, der bei seinen neuen Besitzern nur zwischen den Särgen schlafen darf und die Reste zu essen bekommt, die der Hund verschmäht hat, berührt bei der Premiere im Reethus.

Bewundernswert, mit welcher Souveränität in der Stimme und Bühnenpräsenz der erst neunjährige Caspar Breische die Hauptrolle des Oliver ausfüllt. Nahezu herzzerreißend ist sein Solo-Lied „Wer liebt mich?, in der der Grundschüler gleich zu Beginn des Musicals mutterseelenallein auf der Bühne stehend an seine verstorbene Mutter denkt.

Doch Trost und Hoffnung auf Besserung gibt es für die Ärmsten der Armen in diesem Stück nicht. Dafür sorgen auch die düsteren Lichtarrangements von Michael Altemark, der die Arbeit des Bühnenbild-Teams um Guido Erlenkötter passend illuminiert. Für den gelungenen Spannungsbogen sorgt zudem der perfekt umgesetzte Wechsel der Schauplätze: Eben noch düster und melancholisch, verwandelt sich die Bühne mit Unterstützung des großartig spielenden Orchesters innerhalb von Sekunden in eine lebhafte Straßenkulisse. Dabei sprüht die Inszenierung nach dem Werk von Charles Dickens vor Gänsehautmomenten: Etwa als Bandenführer Fagin („Mach die krummen Finger schön lang“), als Schurke mit Herz genial gespielt von dem Musical-Fabrik-Vorsitzenden Burkhard Schlüter, und Nancy (Carolin Mätzing) zu stimmgewaltigen Solo-Gesängen ansetzen. Für Oliver Twist endet die Geschichte mit einem glücklichen Ende. Doch der Stab des Menschenverachtenden und Bösen wird bis zum letzten Ton weitergereicht.


Der Artikel erschien in der Ausgabe der "Glocke" vom 8.11.2014 und stammt aus dem Ressort "Rheda-Wiedenbrück"